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![]() Die SituationWir leben in einem Wirtschafts- und Gesellschaftssystem, in dem „Reichtum Armut schafft“ (K.G. Zinn). Das wird überdeutlich an den Finanz-, Wirtschafts-, Ernährungs-, Energie- und Klimakrisen, die Ausdruck einer Gesamtkrise des gegenwärtigen Systems sind. In Deutschland (und den meisten Industriestaaten) hatte die Arbeiterbewegung die Sozialpflichtigkeit des Eigentums (GG Art. 14.2) und den Sozialstaat (GG Art. 20.1) erkämpft, der diese Sozialverpflichtung umsetzen musste. Zunehmend entzieht sich aber das Kapitaleigentum durch seine globale Mobilität dieser Verpflichtung und zerstört gleichzeitig die Sozialstaatlichkeit, indem es die Staaten zu Steuersenkungen für Einkommen aus Unternehmertätigkeit und Vermögen nötigt, über Steuerparadiese Steuern hinterzieht und so die öffentlichen Haushalte verschuldet. Anstatt das Kapital angemessen zu besteuern, benutzt der Staat seine Finanzknappheit als Vorwand für Sozialabbau. Das gegenwärtige Krisenmanagement der Staaten verweigert sich einem grundsätzlichen Neuanfang und sozialisiert nur die Verluste des Casino-Kapitalismus. Die Folge ist die zunehmende Spaltung der Gesellschaft in eine Mehrheit von Verlierern, deren Löhne stagnieren oder die gar in die Erwerbslosigkeit gestoßen werden, und in eine Minderheit von Gewinnern, deren Vermögen rapide wachsen. Auch die Mitweltzerstörung wird durch unbegrenztes Wachstum verschärft.KonsequenzIn dieser Situation können die Kirchen die Frage der privaten Bereicherung nicht ausklammern, weder gesellschaftlich-politisch noch im Blick auf die persönliche Frage, wie Christinnen und Christen mit Reichtumsvermehrung umgehen.Biblische Ökonomie des Genug für alleIn der Bibel stehen sich zwei Wirtschaftsformen gegenüber.Die eine kommt in der Mannageschichte (2. Mose 16) zum Ausdruck: „Die Israeliten ... sammelten ein, der eine viel, der andere wenig. Als sie die Behälter zählten, hatte keiner, der viel gesammelt hatte, zuviel, und keiner, der wenig gesammelt hatte, zu wenig. Jeder hatte so viel gesammelt, wie er zum Essen brauchte.“ (Vers 17f.). Diese Ökonomie Gottes ist eine Ökonomie des Genug – für das Leben aller, gespeist aus den ausreichenden guten Gaben Gottes, kreativ gestaltet im Einklang mit Gottes gerechten Weisungen (vgl. 5. Mose 8,3). Demgegenüber kommt seit dem 8. Jh. v.Chr. eine Wirtschaftsform auf, die darauf beruht, dass Eigentum nicht mehr als Gebrauchseigentum verstanden, sondern absolut gesetzt und darum als Grundlage für zinstragende Kredite benutzt wird. Die Folge ist die Spaltung der Gesellschaft in Landlose und Schuldsklaven auf der einen Seite und Reiche, die ihren angesammelten Großgrundbesitz durch die Schuldsklaven bearbeiten lassen, auf der anderen Seite. Die Bibel sieht nun jenen Reichtum als verwerflich an, der über das nötige Gebrauchseigentum hinaus so zur Vermehrung des eigenen Eigentums eingesetzt wird, dass andere ihres Gebrauchseigentums und ihrer Würde und Freiheit beraubt werden. Daran üben die Propheten (als erster Amos), die Tora (Fünf Bücher Mose) und Jesus scharfe Kritik und fordern Gerechtigkeit und Barmherzigkeit. So stellt Jesus die Menschen klar vor die Entscheidungsfrage: Gott oder Mammon. Die, die sich für Gott entscheiden, antworten erstens mit der Anwendung des Rechts zum Schutz der Armen und zweitens mit freiwilligem Teilen. Beispiel dafür sind die Sozialgesetze der Tora (vor allem 5. Mose 14,28-15,18 und 3. Mose 25) und in der Zeit Jesu Zachäus (Lukas 19,1ff.). Zachäus war ein reicher Oberzöllner, der für die Besatzungsmacht Rom Tribut eintrieb. Oberzöllner mussten feste Summen an die Großmacht zahlen, während der Rest bei ihnen blieb, was regelmäßig zu Erpressungen führte. Zachäus war also nicht eine moralisch besonders schlechte Person, sondern er machte einfach bei den normalen gesellschaftlichen Bereicherungsmechanismen mit. Jesus stellt für die sich Bereichernden fest, dass sie so schwer ins Reich Gottes eingehen können wie ein Kamel durch ein Nadelöhr, weil sie den Akkumulationsmechanismen des Reichtums verfallen und damit Sklaven des Herren Mammon werden. Da aber bei Gott kein Ding unmöglich ist, lässt sich Zachäus auf die Tischgemeinschaft mit Jesus, dem Armen, ein. Er verzichtet freudig auf sein Eigentum und zieht daraus drei Konsequenzen: Zachäus gibt die Hälfte seines Eigentums den Armen; er gibt seine Beteiligung an den Bereicherungsmechanismen auf ; er leistet Wiedergutmachung, und zwar das Vierfache der erpressten Zollsumme. Jesus nennt diesen Vorgang Heil für Zachäus und sein Haus. Das heißt nicht, dass man sich durch Teilen das Reich Gottes, das Heil, verdienen kann. Wohl aber kann nichtgeteilter Reichtum und die Beteiligung an Bereicherungsmechanismen heilsverhindernd sein. Zachäus kehrte einfach um zu Gott und damit zu einem solidarischen Leben mit den Armen – persönlich wie auch in seinem wirtschaftlichen Handeln. Mit anderen Worten: Gott rettet Reiche, indem er sie zum Teilen des Eigentums befähigt, soweit dieses über das zum Leben Nötige hinausgeht. KonsequenzenIn dieser biblischen Tradition hat die ökumenische Bewegung seit über zehn Jahren die Mitgliedskirchen zu einem Prozess „Wirtschaften im Dienst des Lebens“ aufgerufen (Texte und Vollversammlungsbeschlüsse bei Kairos Europa). Der Ökumenische Rat der Kirchen führt diesen Prozess fort unter dem Thema „Armut, Reichtum, Ökologie“. In diesem biblischen und ökumenischen Zusammenhang und angesichts der gegenwärtigen dramatischen Spaltung der Gesellschaften in Armgemachte und sich Bereichernde geht es sowohl um das Gemeinwohl als auch um das persönliche Heil reicher Menschen.Unter Reichen verstehen wir alle die Menschen, deren Einkünfte und Vermögen über das hinausgehen, was sie zu einem Leben in Würde brauchen. Ökonomisch gesprochen geht es um solche Menschen, die über ihr Gebrauchseigentum hinaus (das durchaus unterhalb des Luxus variieren kann) über Tauschwerteigentum, d.h. Kapitaleigentum verfügen, mit dem sie ohne Arbeit ihr Vermögen vermehren können. Vermögende in diesem Sinn finden sich auch in den Mittelschichten. Darum laden wir reiche Christinnen und Christen ein:
Wir verstehen unter „Amos-Tora-Initiative“ alles, was Vermögende tun können, um Steuergerechtigkeit und eine gerechte Verteilung des gemeinsam erwirtschafteten gesellschaftlichen Reichtums zu fördern. Dazu zählen:
· die Selbstverpflichtung Vermögender, keine Steuern zu hinterziehen, · die Distanzierung von der gängigen Praxis, die den Staat unter Druck setzt, um Steuersenkungen für Vermögende zu erreichen, · der Einsatz für eine Vermögenssteuer: Nach Abschaffung der Vermögenssteuer bildete sich die Initiative „Vermögende für Vermögensteuer“. Inzwischen sind weitere Vermögende mit einem „Appell für eine Vermögensabgabe“ an die Öffentlichkeit getreten. Um wie viel mehr müssen vermögende Christinnen und Christen selbst in diesem Sinn mit gutem Beispiel vorangehen. · Die Beteiligung am internationalen Netzwerk für Steuergerechtigkeit: „Tax Justice Network“. 2. zu Zachäus-DialogprozessenUnter urchristlichen Verhältnissen war die Frage der Christusnachfolge für Reiche insofern leichter zu beantworten, als diese in den Gemeinschaften der Jüngerinnen und Jünger ihren Reichtum einfach wie in eine Kommunität einbringen konnten, so dass es „unter ihnen keine Armen gab, die Not litten“ (vgl. Apg 4,32ff.). D.h. durch ihr Gott gemäßes Teilen erlebten sie unmittelbar die Freude des anbrechenden Reiches Gottes, Gottes gerechter Ordnung mit menschlichem Gesicht. Diese Gemeinschaften wurden so zu Sauerteig in der römischen Klassengesellschaft – attraktiv besonders für deren Opfer (vgl. 1 Kor 1).Diese Form der direkten Teilgabe und Teilhabe an den Früchten des Teilens ist heute, jedenfalls in Deutschland unter volkskirchlichen Verhältnissen, nur schwer umsetzbar. Anders in anderen Ländern: in Washington D.C. hat sich z.B. im Rahmen der „Church of the Saviour“ eine Initiative von Reichen, „Harvest Time“, gebildet, die mit den urchristlichen Verhältnissen vergleichbar ist. Zusätzlich finanzieren sie Nichtregierungsorganisationen, die in der Gesellschaft für wirtschaftliche Gerechtigkeit arbeiten. Aber ein Anfang kann auch in Deutschland gemacht werden. Er liegt in der Begegnung und Kommunikation zwischen Vermögenden und Verarmten. Die Zachäus-Dialogprozesse sollen Gelegenheiten dafür schaffen. In Ihnen können die Beteiligten darüber hinaus nach ersten praktischen Antworten und Schritten auf die Frage nach gerechter Verteilung und Teilhabe in Deutschland suchen. Ja, sie könnten gemeinsam nach politischen Wegen suchen, wie weltweit das sozial und ökologisch zerstörerische Wirtschafssystem durch Wirtschaften für das Leben überwunden werden kann. Dabei lässt sich anknüpfen an - EKD (Rat der Ev. Kirche in Deutschland) und Deutsche Bischofskonferenz, Für eine Zukunft in Solidarität und Gerechtigkeit. Gemeinsames Wort zur wirtschaftlichen und sozialen Lage in Deutschland, Gemeinsame Texte 9, Kirchenamt der EKD und Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz, Hannover/Bonn 1997. - Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) und Brot für die Welt, Evangelischer Entwicklungsdienst (Hg.), Zukunftsfähiges Deutschland in einer globalisierten Welt. Ein Anstoß zur gesellschaftlichen Debatte, Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt 2008. Wir fordern deshalb dazu auf, in möglichst vielen christlichen Gemeinden Runde Tische zu initiieren, an denen reiche und arme Christinnen und Christen gemeinsam über die „Amos-Tora-Initiative“ und die „Zachäus-Dialog-Prozesse“ sprechen und dann auch gemeinsam handeln. |